Wie ich einmal eingeladen wurde, Raumplanungs-Studierenden das journalistische Handwerk näher zu bringen, und dabei erkannte, was Journalismus eigentlich ist.
Ich habe während der Exkursion – wir verbringen eine Woche in einer bäuerlichen Streusiedlung mit 65 Einwohner*innen im Lesachtal, Kärnten – unabsichtlich viel über Journalismus nachgedacht. Das Handwerk ist nämlich gar nicht so schwer. Die journalistische Methodik ist – verglichen mit wissenschaftlichen Methoden – sehr einfach zu vermitteln. Klar, manche mögen besser recherchieren können, kreativere Zugänge und Themen finden, die anderen verschlossen bleiben. Aber am Anfang steht das ehrliche Interesse, etwas Neues über diese Welt zu erfahren und danach das Recherchierte so zu erzählen, dass auch andere, die Leser*innen, klüger werden können.
Und was diesen Punkt betrifft, bin ich unendlich beeindruckt von der „Mehr als Obergail“-Redaktion. Sie klopfen einfach einmal an jede Haustür, die in Obergail übrigens fast alle unabgeschlossen sind, tratschen im Bus mit Fahrer und Mitfahrer*innen, besuchen eine feuchtfröhliche Sitzung des lokalen Tourismusverbands (und kommen erst spät in der Nacht mit hart gewonnen Informationen zurück), begleiten einen Briefträger und versumpfen bei billigem Bier an der Tankstelle, um von den Leuten dort zu erfahren, was das an sich sperrige Thema Mobilität für deren Alltag bedeutet.

Und nachdem die Redakteur*innen wie Bienen ausgeflogen sind, schreiben und diskutieren sie. Die Überlegungen, die dabei entstehen, sind von blanker Schönheit. Welche Verantwortung habe ich als jemand, der Informationen und Zuschreibungen öffentlich macht? Wie wiege ich Persönlichkeitsrechte gegen das öffentliche Interesse, den Text zu publizieren, ab? Unter welchen Umständen darf ich Informationen gewinnen? Wen muss ich wie zu Wort kommen lassen? Und was ist eigentlich meine Aufgabe? Was richte ich mit meinem Text an?
„Fast alle eure Texte hätten in vielen österreichischen Medien erscheinen können. Aber das soll ja nicht unser Anspruch sein“, hat mein Journalismuslehrer damals gesagt, als wir unsere ersten Texte einreichten. Und ich möchte dieser Redaktion das Gleiche mit auf den Weg geben. Journalismus, der in einem kleinen, verzerrten Markt extremen wirtschaftlichen Zwängen unterworfen ist, darf für junge Erwachsene mit Anspruch nicht das Vorbild sein. Journalismus kann mehr. Journalismus ist Dienst an und Aufgabe der Gesellschaft.
Das erinnert mich an die Diskussion, die ich bei meinem ehemaligen Arbeitgeber, VICE, öfter führen musste. „Das ist doch kein Journalismus“, sagten die alten Granden der Branche. Junge Leute, die unter anderem aus ihrer eigenen Lebensrealität berichten, würden nicht der hohen Zunft, in der alle davon träumen, einmal einen Leitartikel zu schreiben, angehören. Sich in die Untiefen des eigenen Umfelds niederzulassen, sei für diese edle Zunft unwürdig.